Altersvorsorge war bisher meistens ein Thema ab Mitte Dreißig – spätestens, wenn man das erste Mal in die Rentenlücke starrt.
Die Frühstart-Rente soll das jetzt ändern. Mit dem neuen Modell will die Bundesregierung Kindern schon früh den Einstieg in die private Vorsorge ermöglichen – automatisch, staatlich gefördert und langfristig angelegt. Aber was bringt das Ganze wirklich? Was steckt hinter dem Konzept? Und für wen lohnt sich der Einstieg?
Der Hintergrund: Warum es die Frühstart-Rente überhaupt gibt
Die Frühstart-Rente ist Teil des Koalitionsvertrags 2025–2029 und soll ab 1. Januar 2026 eingeführt werden.
Ziel: Mehr Eigenverantwortung in der Altersvorsorge, weniger Abhängigkeit von der gesetzlichen Rente und frühzeitige Kapitalmarkterfahrung für junge Generationen. Die CDU/CSU sieht das Modell als Gegengewicht zu klassischen Umlagesystemen – und will damit finanzielle Bildung, Vermögensaufbau und Kapitalmarktbeteiligung schon im Kindesalter fördern.
Das Ganze passiert in einem politischen Klima, in dem klar ist: Die gesetzliche Rente allein reicht für die nächsten Generationen nicht mehr aus. Mit der Frühstart-Rente kommt erstmals ein Modell, das breit angelegt und einkommensunabhängig funktioniert – theoretisch.
Was ist die Frühstart-Rente genau?
Im Kern ist es simpel: Der Staat zahlt ab dem 6. Lebensjahr monatlich 10 € in ein individuelles Depot – für jedes Kind, das in Deutschland eine Bildungseinrichtung besucht.
Die Einzahlungen laufen bis zum 18. Lebensjahr, insgesamt also 1.440 €. Investiert wird automatisch in breit gestreute ETFs, meist auf Indizes wie den MSCI World. Einmal angelegt, soll das Kapital bis zum Renteneintritt wachsen – steuerfrei.
Die wichtigsten Fakten:
- Teilnahme automatisch (Opt-out durch Eltern möglich)
- Staatlicher Beitrag: 10 €/Monat → 1.440 € gesamt
- Zielgruppe: Kinder zwischen 6–18 Jahren in Deutschland
- Anlageform: ETFs, staatlich organisiert – privat verwaltet
- Depot-Zugang: Eltern können Depot via App einsehen
- Keine Auszahlung vor 67 – keine Ausnahmen
- Steuerfreiheit auf Erträge während der Ansparzeit
- Versteuerung erst bei Auszahlung (analog zur Rente)
Beispiel: Was ist mit der Frühstart Rente theoretisch möglich?
Damit du eine echte Vorstellung bekommst, was die Frühstart-Rente leisten kann – und was eben auch nicht –, lohnt sich ein genauer Blick auf zwei typische Szenarien. Eines mit reiner staatlicher Förderung und ein zweites mit zusätzlichen Eigenbeiträgen ab dem 18. Lebensjahr. Beides basiert auf realistischen Annahmen zur Kapitalmarktentwicklung, vor allem dem historischen Durchschnitt des MSCI World Index mit ca. 6 % Jahresrendite. Das zeigt, welches Potenzial im Zinseszinseffekt steckt – aber auch, warum ohne Eigeninitiative nicht viel mehr als ein netter Zusatzbetrag drin ist.
Szenario 1: Nur staatliche Förderung
Im ersten Beispiel passiert nach dem 18. Geburtstag nichts mehr. Das bedeutet: Keine weiteren Einzahlungen, kein aktives Sparen – nur die starken 12 Jahre staatlicher Förderung à 10 € pro Monat, insgesamt also 1.440 €. Klingt nicht nach viel, aber durch die lange Laufzeit von knapp 50 Jahren bis zum Rentenbeginn passiert trotzdem einiges.
- Einzahlung insgesamt: 1.440 €
- Anlagezeitraum: 49 Jahre (von 18 bis 67)
- Annahme: 6 % Rendite jährlich
- Depotwert mit 18: ca. 2.330 € (inkl. ca. 890 € Zinsen)
- Endwert mit 67: ca. 36.000 €
Was bedeutet das für die Rente?
Bei einer angenommenen Rentenphase von 20 Jahren und einem Rentenfaktor von ca. 240 (entspricht 20 Jahre × 12 Monate) ergibt das eine monatliche Zusatzrente von rund 150 € brutto. Das klingt solide – bis du die Inflation mitdenkst.
Wichtig zu wissen: Wenn wir eine langfristige Inflation von 2–3 % annehmen, sinkt die Kaufkraft drastisch. Die 36.000 € sind dann im besten Fall noch ca. 17.500 € wert – im schlechtesten Fall nur etwa 10.000 €. Daraus wird dann keine Monatsrente von 150 €, sondern eher 40–70 € realer Wert. Heißt unterm Strich: Ohne Nachbesparung reicht das Modell allein nicht für einen echten finanziellen Unterschied.
Szenario 2: Staat + Eigenbeitrag (50 €/Monat ab 18)
Jetzt wird’s realistischer – und deutlich spannender. Denn sobald du ab dem 18. Lebensjahr selbst aktiv wirst und 50 € im Monat weiter in das Depot einzahlst, sieht das Ganze schon ganz anders aus. Du würdest dann über 49 Jahre insgesamt rund 29.400 € selbst einzahlen – zusätzlich zur staatlichen Förderung.
- Staatliche Einzahlungen: 1.440 €
- Eigene Einzahlungen: ca. 29.400 € (50 €/Monat über 49 Jahre)
- Gesamteinzahlung: ca. 30.840 €
- Annahme: 6 % Rendite jährlich
- Endwert mit 67: 179.000–200.000 €, je nach Entwicklung
Was bringt dir das am Ende?
Angenommen du entnimmst das Kapital über 20 Jahre, wären damit 600 € Monatsrente vor Steuern machbar – deutlich mehr als im ersten Szenario. Und: Auch wenn die Inflation zuschlägt, bleibt ein ordentliches reales Polster übrig. Selbst bei 2,5 % Inflation wäre die Kaufkraft dieses Kapitals noch immer deutlich fünfstellig, also rentenrelevant.
Aber auch hier gilt: Die Rendite steht und fällt mit dem Kapitalmarkt. Bei nur 4 % jährlicher Rendite würde das Endvermögen um fast 40 % niedriger ausfallen. Und je nach Depotkosten, steuerlichen Nachteilen oder Marktkrisen kann das Ergebnis schwanken.
Die Frühstart-Rente kann langfristig etwas bringen – aber nicht von selbst. Wer sich auf die 1.440 € Förderung allein verlässt, wird am Ende nur eine symbolische Zusatzrente erhalten. Das Modell entfaltet seine Wirkung nur dann, wenn du ab dem 18. Lebensjahr konsequent weiter sparst, idealerweise mit einer soliden Renditestrategie. Die gute Nachricht: Schon mit kleinen monatlichen Beträgen lässt sich langfristig etwas aufbauen – wenn du dranbleibst.
Und genau das ist auch der Unterschied zu vielen bisherigen Vorsorgemodellen: Die Einstiegshürde ist niedrig, der Aufbau einfach. Aber wer nicht aktiv wird, bekommt zwar ein Depot – aber keine echte Rente.
Kritik: Was (noch) nicht funktioniert
Die Idee klingt erstmal gut – früh anfangen, staatlich gefördert, steuerfrei wachsen lassen. Aber wenn man genauer hinschaut, zeigt sich: Die Frühstart-Rente ist (noch) kein Gamechanger. Denn allein mit den 10 € monatlich wird keine ernstzunehmende Rente draus. Ohne freiwillige Nachbesparung bleibt das Ganze ein netter Einstieg, aber eben auch nicht mehr.
Dazu kommt: Zugriff auf das Geld gibt’s erst ab 67. Kein Spielraum bei Notfällen, kein Umweg über Bildungskosten oder Eigenheimförderung. Wer vorher ran will, schaut in die Röhre. Das mag aus staatlicher Sicht sinnvoll sein – verhindert aber, dass das Modell in jungen Jahren auch mal praktisch was abfedern kann.
Ein weiterer Punkt: Kinder aus Haushalten mit wenig Geld können kaum nachbesparen. Heißt: Genau die Zielgruppe, die Unterstützung am nötigsten hätte, kann das volle Potenzial der Frühstart-Rente kaum nutzen. Es bleibt also ein strukturelles Ungleichgewicht, das durch freiwillige Einzahlungen eher größer wird.
Und dann ist da noch das Thema Inflation. 36.000 € in 49 Jahren klingen ordentlich – bis man merkt, dass das in heutiger Kaufkraft vielleicht gerade mal 10.000–17.000 € sind. Ohne stabile Kapitalmarktrenditen und aktives Sparverhalten läuft das Ganze sonst ins Leere.
Kosten der Frühstart Rente und politische Perspektive
Auf den ersten Blick wirkt das Modell günstig. 7 Millionen Euro pro Monat und Jahrgang – das klingt machbar. Rechnet man das aber über 18 Jahrgänge und einen langen Zeitraum durch, landet man schnell bei einer Summe von rund 1,2 Milliarden Euro jährlich. Nicht astronomisch, aber eben auch kein Taschengeld für den Bundeshaushalt.
Die Politik setzt trotzdem auf Langfristigkeit. Die Union will mit der Frühstart-Rente Kapitalmarktbildung früh verankern und die gesetzliche Rente langfristig entlasten. Die Logik: Wer früh privat vorsorgt, braucht später weniger Zuschüsse aus der Staatskasse. Klingt vernünftig – aber nur, wenn wirklich viele mitmachen und nachbesparen.
Geplant ist außerdem, das Modell perspektivisch weiterzuentwickeln. Die Rede ist von höheren Förderbeiträgen (15–20 €/Monat), Zuschussregelungen für Haushalte mit geringem Einkommen und sogar digitaler Depotführung via Blockchain, um Kosten zu senken. Alles sinnvoll – aber eben Zukunftsmusik. Stand heute steht die Frühstart-Rente noch ganz am Anfang. Ob sie langfristig trägt, hängt davon ab, wie gut das Modell angenommen wird – und ob die Politik es nicht auf halbem Weg wieder kaputtreformiert.
Vergleich: Frühstart-Rente vs. Riester & Co.
Die Frühstart-Rente kommt als neues Modell zur Altersvorsorge ins Spiel – aber wie schneidet sie im Vergleich zu den klassischen Optionen ab? Um das einzuordnen, lohnt sich ein Blick auf die wichtigsten Parameter: Startzeitpunkt, Förderung, Flexibilität, steuerliche Behandlung und am Ende die Frage, was realistisch dabei rumkommt.
Startzeitpunkt: Wer fängt wann an?
Die große Stärke der Frühstart-Rente liegt im extrem frühen Einstieg. Während die gesetzliche Rente und Riester-Rente erst mit dem Start ins Berufsleben greifen, beginnt die Frühstart-Rente schon im Kindesalter – mit 6 Jahren.
- Frühstart-Rente: Start mit 6 Jahren durch staatliche Einzahlungen
- Riester-Rente: Start ab 18 Jahren durch private Beiträge, meist mit Berufsbeginn
- Gesetzliche Rente: Automatischer Einstieg ab dem ersten sozialversicherungspflichtigen Job
Dieser Vorsprung bedeutet: Mehr Zeit für Zinseszinseffekt – und damit mehr Potenzial für langfristigen Vermögensaufbau.
Förderung: Wer zahlt was?
Hier wird der Unterschied richtig deutlich. Die Frühstart-Rente setzt auf konstante, kleine Einzahlungen vom Staat: 10 € pro Monat, 1.440 € über 12 Jahre – automatisch und ohne Zutun der Eltern.
- Frühstart-Rente: 10 €/Monat vom Staat, ohne Einkommensprüfung
- Riester-Rente: Zulagen (175 €/Jahr für Erwachsene, 300 €/Kind), aber nur bei Eigenbeiträgen
- Gesetzliche Rente: Keine direkte Förderung – Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge werden gemeinsam eingezahlt
Bei Riester muss man selbst aktiv werden, um überhaupt gefördert zu werden. Bei der Frühstart-Rente ist die Förderung vor allem eines: niedrigschwellig.
Steuerliche Behandlung: Wann greift der Fiskus?
Ein großer Pluspunkt der Frühstart-Rente ist die steuerfreie Ansparphase. Solange das Geld im Depot liegt, fallen keine Steuern auf Zinsen, Dividenden oder Kursgewinne an – auch nicht, wenn du später noch selbst einzahlst.
- Frühstart-Rente: Steuerfreiheit bis zur Auszahlung, danach normale Einkommensbesteuerung
- Riester-Rente: Beiträge oft steuerlich absetzbar, aber volle Versteuerung bei Auszahlung
- Gesetzliche Rente: Rentenbeiträge teilweise absetzbar, spätere Rente ebenfalls steuerpflichtig
Die Frühstart-Rente bleibt damit in der Wachstumsphase komplett steuerneutral – das ist in dieser Form ungewöhnlich attraktiv.
Flexibilität: Kann man vorher ans Geld?
Und genau hier kommt der erste echte Nachteil der Frühstart-Rente. Denn was bei Riester (zumindest teilweise) und bei privaten Fondsdepots oft möglich ist, geht bei der Frühstart-Rente nicht: Du kommst vor dem Rentenalter an kein Geld ran. Punkt.
- Frühstart-Rente: Kein Zugriff vor 67 – weder für Studium, Hauskauf noch Notfälle
- Riester-Rente: Teilweise Kapitalentnahme vor Rentenbeginn möglich (z. B. für Immobilien)
- Gesetzliche Rente: Nur Rentenzahlung ab gesetzlichem Rentenalter, keine Kapitalentnahme
Das heißt: Du sparst fürs Alter – und nur fürs Alter. Wer zwischendurch mit dem Gedanken spielt, mal etwas davon zu verwenden, hat keine Chance.
Die gesetzliche Rente allein wird in Zukunft nicht reichen. Riester hat viele Jahre Vertrauen verspielt – durch Komplexität, hohe Kosten und wenig Transparenz. Die Frühstart-Rente dagegen punktet mit Einfachheit, Automatisierung und der Chance, den Kapitalmarkt früh kennenzulernen.
Aber: Die staatlichen 10 €/Monat reichen alleine nicht, um eine echte Rente aufzubauen. Nur mit zusätzlicher Eigenleistung – zum Beispiel einem ETF-Sparplan ab 18 – wird daraus ein Vermögensbaustein, der sich später bemerkbar macht.
Fazit: Solide Idee, aber kein Rundum-Sorglos-Paket
Die Frühstart-Rente ist ein modernes Vorsorgemodell mit klarer Stoßrichtung: Kapitalmarkt stärken, Rente ergänzen, Chancengleichheit fördern. Was als symbolische Förderung startet, kann – bei Eigeninitiative – zum echten Vermögensbaustein werden. Aber: Wer sich allein auf die 10 € vom Staat verlässt, wird keine echte Rente aufbauen.
Entscheidend wird sein, wie viele junge Erwachsene ab 18 den Ball aufnehmen und eigenständig weiter sparen. Wer das tut, kann mit der Frühstart-Rente solide vorsorgen – steuerfrei, automatisiert, wachstumsorientiert. Wer nichts tut, bekommt eine kleine Zusatzrente mit Signalwirkung – mehr nicht.
Empfehlung: Eltern sollten das Modell beobachten, bis 2026 auf die Umsetzung achten und früh überlegen, wie eine eigene Nachbesparung aussehen kann. Kapitalaufbau funktioniert – aber eben nicht von allein.