Vielleicht kennst Du den Spruch „Sell in May and go away“. Anleger sollen im Mai verkaufen, weil die Börse im Sommer schlechter läuft.
Schaut man auf die Zahlen, steckt ein Muster dahinter. Von 1960 bis 2023 lag die durchschnittliche DAX-Rendite von Mai bis Oktober bei 0,7 Prozent. Von November bis April waren es rund 6 Prozent. Trotzdem liefen auch viele Sommerhalbjahre positiv. Ein Ausstieg im Mai ist also keine Garantie für bessere Ergebnisse.
Wichtig ist, dass Du Deine Anlagestrategie langfristig ausrichtest – und nicht nur auf saisonale Effekte setzt.
Was bedeutet "Sell in Max, go away"?
„Sell in May and go away“ – dieser Spruch macht jedes Jahr im Frühling an der Börse die Runde. Die Idee dahinter: Im Sommer passiert an den Märkten weniger, die Kurse treten auf der Stelle oder fallen sogar. Wer also im Mai verkauft und sein Geld erst im Herbst wieder investiert, soll laut Börsenweisheit eine bessere Rendite erzielen.
Der Spruch stammt ursprünglich aus dem englischen Sprachraum. Genauer: aus dem Londoner Finanzviertel, wo man früher sagte „Sell in May and go away – and come back on St. Leger’s Day“. Das war der letzte Tag der englischen Pferderennsaison im September. Seitdem gilt der Sommer an der Börse als durchwachsen, der Winter dagegen als stärkere Zeit für Aktien.
Ob das auch heute noch so stimmt, ist umstritten. Einige Jahre zeigen klare Unterschiede zwischen Sommer- und Winterrenditen – andere nicht. Kurzfristige Kursbewegungen lassen sich kaum vorhersagen, trotzdem hält sich der Effekt hartnäckig.
Schauen wir uns jetzt an, wie die Märkte in den letzten Jahren tatsächlich gelaufen sind.
Statistik: Was ist dran am „Sell in May“–Effekt?
Schaut man auf die langfristigen Daten, sieht man schnell: Der Mai war für den DAX nicht gerade ein Garant für hohe Gewinne.
Seit 1959 lag die durchschnittliche Rendite bei gerade einmal +0,06 % – einer der schwächsten Monate im Jahr. Noch schwächer war nur der September mit –0,28 %. Dazu kommt: Die Schwankungen im Mai sind überdurchschnittlich hoch. Die sogenannte Volatilität lag bei 6,2 %, während der Jahresdurchschnitt bei 4,8 % liegt.
Auffällig ist der Bruch ab dem Jahr 2000. Seitdem rutschte die durchschnittliche Mai-Rendite ins Minus: –0,4 %. Nur 48 % der Mai-Monate seit 2001 waren überhaupt positiv. Davor waren es noch 63 %. Das hat auch mit neuen Marktdynamiken zu tun: Algorithmen, globale Geldströme und mehr Tech-Werte im Index sorgen für andere Bewegungen als früher. Trotzdem zeigt sich: In vielen Jahren war der Mai schwach – vor allem in Krisenzeiten. Beispiele? 2002 verlor der DAX im Mai –9,1 %, 2008 rund –0,5 %. Auch 2023 ging es abwärts: –1,6 %.
Doch genauso gab es positive Ausreißer: +6,7 % im Mai 2020, +3,2 % im Mai 2024.
Beispiel: Hätte sich der Ausstieg im Mai gelohnt?
Nehmen wir ein Beispiel: Ein Anleger hätte 2018 mit 10.000 € in den DAX investiert – entweder durchgängig (Buy-and-Hold) oder nach der „Sell in May“-Strategie, also von Mai bis Oktober in Cash. Was kam dabei raus?
- 2018: Buy-and-Hold –18,3 %, Sell-in-May –12,1 %
- 2019: Buy-and-Hold +25,5 %, Sell-in-May +19,2 %
- 2020: Buy-and-Hold +3,5 %, Sell-in-May +1,8 %
- 2021: Buy-and-Hold +15,8 %, Sell-in-May +9,4 %
- 2022: Buy-and-Hold –12,1 %, Sell-in-May –7,9 %
- 2023: Buy-and-Hold +18,9 %, Sell-in-May +16,3 %
- 2024: Buy-and-Hold +10,4 %, Sell-in-May +8,7 %
In schwachen Jahren konnte „Sell in May“ Verluste abfedern – 2018 und 2022 zum Beispiel. Aber in starken Börsenphasen bremste sie die Gewinne. Insgesamt war die risikobereinigte Rendite etwas besser (Sharpe-Ratio 0,72 vs. 0,68). Aber: Transaktionskosten, verpasste Dividenden und Steuern mindern den Effekt. Vor allem: Wer 1990 bis 2025 durchgängig investiert war, hatte laut Commerzbank-Analyse über 237.000 € mehr Gewinn als mit „Sell in May“.
In welchem Monat macht es am meisten Sinn, Aktien zu kaufen?
Viele Anleger suchen nach dem perfekten Einstiegszeitpunkt – doch wer versucht, den Markt zu timen, liegt öfter daneben als richtig.
Statistiken zeigen zwar, dass bestimmte Monate tendenziell besser laufen als andere. Der November bis April war zum Beispiel in der Vergangenheit meist stärker als der Sommer. Doch am Ende ist nicht der Monat entscheidend, sondern wie lange Du investiert bist.
Denn: Wer auf den „richtigen Moment“ wartet, verpasst oft die besten Tage an der Börse. Schon wenige verpasste Spitzentage im Jahr können den Ertrag massiv drücken. Deutlich erfolgreicher ist, wer langfristig investiert bleibt – egal ob im Mai, August oder Dezember gekauft wurde. Zeit im Markt schlägt Markttiming. Immer.
Fazit: Die „Sell-in-May“-Strategie beruht auf Spekulation, nicht auf Fakten
Wer im Mai seine Aktien verkauft, folgt oft einer Börsenweisheit – nicht der Realität. Studien wie die von Bouman & Jacobsen (2002) fanden zwar früher Belege für saisonale Unterschiede, doch aktuelle Daten zeigen ein anderes Bild. Seit 2020 etwa brachte der S&P 500 im Sommer teils zweistellige Gewinne: +21,3 % in der Corona-Erholung, +11,4 % im KI-Rally-Jahr 2023. Und selbst im Mai 2025 legte der Index leicht zu – trotz Zinssorgen. In den letzten fünf Jahren lieferte „Sell in May“ also eher verpasste Chancen als Schutz vor Verlusten.
Auch wissenschaftlich ist der Effekt nicht mehr haltbar. Aktuelle Analysen wie von Dichtl & Drobetz zeigen: Wer regelmäßig aussteigt, verliert – allein durch Transaktionskosten bis zu 1,5 % im Jahr. Hinzu kommen steuerliche Nachteile und verpasste Rallys. Statt starrer Kalenderlogik braucht es heute flexible Strategien: Sektorrotation, sinnvolle Absicherungen oder langfristiges Investieren. Denn moderne Märkte werden von Algorithmen, globalen Nachrichten und Notenbanken bewegt – nicht vom Monat im Kalender. Wer sein Geld wirklich klug anlegen will, bleibt investiert.
Dauer schlägt Timing.