Viele ETF-Sparer werden im Januar plötzlich mit einer Steuerforderung konfrontiert – obwohl sie im Jahr davor nichts verkauft oder ausgeschüttet bekamen.
Schuld daran ist die Vorabpauschale: ein steuerlicher Mindestbetrag, den der Fiskus auf fiktive Erträge erhebt. Die Vorabpauschale wurde Anfang 2018 mit der großen Investmentsteuerreform eingeführt, um die besteuerte Rendite von thesaurierenden Fonds (die Gewinne reinvestieren) an die von ausschüttenden Fonds anzugleichen. Denn zuvor konnten Anleger durch thesaurierende ETFs jahrelang Steuern auf Kursgewinne aufschieben. Das Finanzamt zieht seitdem stattdessen jährlich eine Art Vorauszahlung ein: auf einen gedachten Basisgewinn („Basisertrag“).
Dieser Wert ist nicht die tatsächlich zu zahlende Steuer, sondern lediglich die Grundlage für die Steuerberechnung.
Warum wurde die Vorabpauschale eingeführt?
Kurz gesagt: Steuergerechtigkeit und weniger Aufschub. Vor der Reform 2018 wurden ausschüttende und thesaurierende Fonds sehr unterschiedlich behandelt.
Wer Dividenden kassierte, zahlte sofort Steuern darauf. Wer reinvestierte, konnte die Steuer auf Kursgewinne ewig hinauszögern – bis zum Verkauf. Das war ungerecht. Mit der Vorabpauschale will der Gesetzgeber sicherstellen, dass ein Mindestanteil der Gewinne jedes Jahr versteuert wird.
Ein guter Vergleich: Stell dir vor, du mietest einen Stall und lässt Kühe dort, von denen du erst nach Jahren Milch (Gewinn) siehst. Ohne Vorabpauschale dürftest du so tun, als ob erst bei Stall-Auszug die Milchvergütung stattfindet. Die Vorabpauschale ist dann, als würde der Vermieter sagen: „Okay, ich nehme dir jetzt schon mal Miete für das Leben der Kühe ab.“ So kommt jedes Jahr wenigstens ein bisschen „Steuer“ rein, statt dass alles auf einmal am Ende wartet.
Formal heißt das, man setzt einen fiktiven Ertrag an, unabhängig von der realen Wertentwicklung. Besonders betroffen sind wie gesagt thesaurierende Fonds und ETFs: Sie zahlen nichts aus, sondern legen alles wieder an. Über die Vorabpauschale werden genau bei diesen Anlageprodukten pauschal Steuern eingezogen, damit die laufende Ertragsbesteuerung gewahrt bleibt. Distributoren oder andere Fondsformen wie Spezialfonds (für institutionelle Anleger) sind weitgehend ausgenommen.
Wie funktioniert die Vorabpauschale bei thesaurierenden ETFs
Aber wie rechnet das Finanzamt eigentlich?
Die Vorabpauschale wird berechnet, indem man zum Anfang des Jahres einen Basisertrag ermittelt. Ganz praktisch: Man nimmt den Wert deiner ETF-Anteile am 1. Januar des betreffenden Jahres und multipliziert ihn mit dem Basiszins und einem festen Faktor von 0,7. Dieser Basiszins wird jährlich festgelegt – er orientiert sich an den Renditen von Bundesanleihen (15-jährige, aktueller Langfrist-Zins). Für 2024 beispielsweise lag der Basiszins bei 2,29 %.
Rechenweg im Detail:
- Wert zu Jahresbeginn: Hast du am 1.1.2024 ETF-Anteile im Depot, die insgesamt 10.000 € wert sind, ist das deine Basis.
- Basiszins und 0,7-Faktor: Der Gesetzgeber multipliziert diesen Wert mit dem Basiszins (hier 2,29 %) und dann mit 0,7. Die 0,7 ist einfach Teil der Formel (dient der Teilfreistellung politisch – mathematisch ist es ein Pauschal-Faktor).
- Basisertrag: In unserem Beispiel = 10.000 € × 2,29 % × 0,7 ≈ 160,30 €. Das ist der fiktive Ertrag, den du laut Gesetz gemacht hast.
- Vergleich mit echtem Gewinn: Nun vergleicht man diesen Basisertrag mit dem tatsächlichen Kursgewinn des Fonds im vergangenen Jahr. Hat der Fonds im Jahr 2023 z.B. von 10.000 € auf 11.000 € zugelegt, ist der echte Gewinn 1.000 € (siehe Beispiel unten). Bei der Vorabpauschale nimmt man aber immer den kleineren Wert: Wenn dein Fonds also 1.000 € Gewinn gemacht hätte (größer als 160,30 €), dann bleibt es bei 160,30 €. Wenn dein Fonds aber nur 100 € Gewinn gemacht hätte (also kleiner), würde nur dieser tatsächliche Gewinn angesetzt. In der Regel lautet es in Worten: Es wird versteuert, was der Fonds mindestens verdient hat (der Basisertrag), aber nicht mehr als der tatsächliche Gewinn. Wichtig dabei: Die Vorabpauschale kann nie negativ werden – wenn der Fonds ins Minus läuft, wird keine Pauschale erhoben.
Beispielrechnung: Angenommen, deine ETF-Position war am 1.1.2023 (Vorjahresbeginn) genau 20.000 € wert. Bis zum 1.1.2024 steigt dieser Wert auf 21.000 € – also ein Plus von 1.000 € im Jahr. Der Basiszins 2023 (für Steuerzahlung Anfang 2024) betrug 2,55 %. Der Basisertrag wäre damit 20.000 € × 2,55 % × 0,7 ≈ 357,00 €. Da aber der echte Gewinn (1.000 €) größer ist als 357 €, setzt das Finanzamt auf diese Vorabpauschale von 357 €. Nur auf diesen Betrag wird nun die Kapitalertragsteuer berechnet. Bei einem Aktien-ETF mit 30 % Teilfreistellung bleiben 70 % davon steuerpflichtig (0,7 × 357 = 249,90 €), und davon sind 25 % Abgeltungsteuer (+ 5,5 % Soli etc.) fällig – also rund 66 € Steuer.
Hätte dein ETF aber nur 200 € Gewinn gemacht (also kleiner als 357 €), hätte das Finanzamt nur 200 € als Bemessungsgrundlage genommen.
Ein weiteres Beispiel: Wert zu Jahresanfang 10.000 €, Basiszins 2,29 % (Steuerjahr 2024). Dann ist Basisertrag = 10.000 € × 2,29 % × 0,7 = 160,30 €. Ohne Ausschüttungen bleibt auch 160,30 € Vorabpauschale übrig, wovon 70 % (112,21 €) steuerpflichtig sind. Die Bank zieht dann 25 % Abgeltungsteuer auf die 112,21 € ein – also ca. 28,05 € Steuern. Du siehst: In der Praxis bleibt der Betrag sehr überschaubar, gerade bei kleinen Portfolios.
Was bedeutet das für dich als Anleger?
Für viele von uns fühlt es sich auf den ersten Blick merkwürdig an: “Warum soll ich Steuern zahlen, wenn ich doch kein Geld erhalten habe?”
In der Praxis heißt das allerdings: Auch ohne Verkauf oder Ausschüttung wird zu Jahresbeginn dein Depot leicht verringert. Deine Bank berechnet die Vorabpauschale und zieht sie automatisch von deinem Verrechnungskonto ab (oder verkauft anteilig Anteile, wenn kein Guthaben reicht). Du bekommst also keinen Scheck in die Hand, sondern siehst einfach, dass dein Depot an Wert einbüßt. Das kann verwirren, ist aber keine Doppelbesteuerung, sondern nur eine Zeitverschiebung der Steuerzahlung.
Letztes Jahr gezahlte Vorabsteuern werden beim Verkauf deiner Anteile angerechnet – du zahlst insgesamt nur einmal.
Praktischer Ablauf: Üblicherweise bucht deine Bank Anfang Januar die Steuer für das vergangene Jahr ab – unabhängig davon, ob du etwas verkauft oder ausgeschüttet bekommen hast. Dabei nimmt sie den Freibetrag (Sparerpauschbetrag) des aktuellen Jahres. Das ist wichtig zu wissen: Die Vorabpauschale, die im Januar 2025 für 2024 fällig wird, verbraucht zum Beispiel deinen Pauschbetrag von 2025. Hast du den aktuellen Freibetrag schon ganz ausgeschöpft, zieht die Bank die Steuer von deinem Konto ein – bei einem thesaurierenden ETF heißt das, du brauchst frisches Geld oder die Bank verkauft Anteile. Daher lautet einer der wichtigsten Tipps: Freistellungsauftrag rechtzeitig einrichten und Kontodeckung sicherstellen. So vermeidest du unangenehme Überraschungen, wenn die Vorabsteuer kommt.
Ein Schlagwort dabei ist „Verrechnungstopf“. Verkauft man ETFs mit Verlust, baut man damit einen Verlusttopf auf. Die in Vorjahren gezahlten Vorabsteuern gehen dabei nicht verloren – sie erhöhten quasi den Verlusttopf für Fonds. Das heißt: Veräußerst du später mal mit Gewinn, kann dieser Verlust (inklusive bereits gezahlter Vorabsteuer) gegengerechnet werden. Verkauft man sogar innerhalb desselben Jahres nach der Vorabpauschale mit Verlust, schreibt die Bank dir die bereits gezahlte Steuer sofort gut. Es gibt also Mechanismen, damit du beim Verkauf nicht effektiv doppelt belastet wirst.
Ein Praxisbeispiel: Du zahlst im Januar 2025 30 € Vorabsteuer für dein ETF-Depot. Im Sommer 2025 verkaufst einige Anteile mit Verlust – sagen wir, du realisierst 30 € Verlust. Dein Broker würde dir die zuvor gezahlte Steuer in der Steuerbescheinigung gutschreiben, so als hättest du sie nie wirklich verloren. Hättest du den Fonds dagegen erst 2028 mit Verlust abgegeben, bekommst du nicht alle Vorabsteuern wieder zurück (die gezahlten Steuern wurden im Verlusttopf gespeichert und können nur bis zum entsprechenden Ablaufdatum genutzt werden).
Es lohnt sich also, die eigenen Unterlagen zu sichern, gerade wenn man Depots wechselt oder größere Umbuchungen macht.
Beispiel: Wie berechnet man die Vorabpauschale
So klar wie möglich: Die Vorabpauschale berechnest du in wenigen Schritten selbst, wenn du willst. Angenommen, wir haben am 1. Januar 2024 ETF-Anteile im Wert von 20.000 €. Der relevante Basiszins 2023 war 2,55 % und der Teilsatz 0,7. Dann ist der Basisertrag:
Basisertrag = 20.000 € × 2,55 % × 0,7 ≈ 357,00 €.
Sagen wir, im Jahr 2023 stieg dein ETF von 20.000 auf 21.000 € – also echtes Wachstum 1.000 €. Weil 1.000 € größer ist als 357 €, würden wir den Basisertrag von 357 € verwenden. Es wird also so getan, als hättest du 357 € Gewinn gemacht. Von diesen 357 € werden aber nur 70 % besteuert (wegen der üblichen Teilfreistellung bei Aktienfonds, vgl. Hinweis unten). 70 % von 357 € sind etwa 249,90 €. Auf diese 249,90 € wendest du jetzt die Abgeltungssteuer an (25 % davon + 5,5 % Soli, zusammen ca. 26,375 %). Das ergibt eine Steuer von etwa 66 €.
Wenn dein ETF jedoch nur 200 € zugelegt hätte (also echte Kursgewinne 200 €), wäre 200 € < 357 €. In diesem Fall würdest du nur 200 € als Vorabpauschale ansetzen. Dann wären 70 % von 200 € = 140 € steuerpflichtig, Steuer etwa 37 €. Liegt dein ETF im Minus (z.B. von 20.000 auf 19.000 €), wird – wie gesagt – 0 € angesetzt, und du zahlst keine Vorabsteuer.
Damit du einen Eindruck bekommst, wie groß der Posten sein kann: Bei einem Aktien-ETF mit 30 % Teilfreistellung beträgt die Vorabpauschale für 2024 immerhin 2,29 % (Basiszins) × 0,7 = 1,603 % deines Anfangsbestands. Auf diesen 1,603 % fallen rund 26,4 % Steuer an – das sind effektiv etwa 0,423 % deines Depotwerts. Verdienst du mit deinem ETF über 1 % im Jahr, liegst du schon darüber. Verdient er weniger (oder nichts), wird ohnehin nur der kleinere Wert oder gar 0 versteuert.
Wann und wie wird die Vorabpauschale fällig?
Die Bezahlung findet jeweils Anfang des Folgejahres statt. Die Banken rechnen im Januar ab, welche Vorabpauschale für das Vorjahr angefallen ist, und ziehen die entsprechende Steuer automatisch ein. Das heißt: Die Pauschale für die Erträge 2024 zahlst du im Januar 2025. Diese Abbuchung nutzt gleich dein nächstes verfügbares Freistellungsvolumen. Du musst also bis Mitte Januar Geld oder verfügbaren Freibetrag parat haben. Andernfalls verkauft dein Broker Anteile zur Steuerzahlung.
Merke: Es ist keine Steuer auf neuen Gewinn, sondern nur eine Vorleistung. Beim späteren Verkauf deiner ETF-Anteile werden alle gezahlten Vorabsteuern angerechnet. Du musst nichts doppelt bezahlen. Zum Jahreswechsel bekommst du in der Praxis meistens schon eine Mitteilung oder deinen Steuerbescheid vom Depot, der ausweist, wie viel Vorabsteuer einbehalten wurde. Es lohnt sich, diese Unterlagen gut zu archivieren. Besonders beim Wechsel des Depots solltest du darauf achten, dass alte Steuerdaten übernommen werden, sonst könnte es beim „Umziehen“ technische Komplikationen geben.
Was passiert bei Verlusten oder in schlechten Börsenjahren?
Bei sinkenden Kursen kann die Vorabpauschale einem tatsächlich das kalte Grausen einjagen – zum Glück passiert in den allermeisten Fällen ja gar nichts. Nach den Regeln bleibt eine negative Vorabpauschale ausgeschlossen. Wenn dein ETF im Vergleich zum Jahresanfang deutlich an Wert verliert, fällt meist keine Pauschale an.
Ein knallhartes Beispiel: Die Basiszinsen waren von 2018 bis Ende 2022 so niedrig (teilweise sogar negativ), dass effektiv keine Vorabpauschale anfiel. Erst mit den Zinserhöhungen um 2023 gab es wieder Pauschalen. Wenn 2023 dein Fonds im Minus war, wärst du also steuerfrei geblieben. Auch generell gilt die Regel: Ist der tatsächliche Gewinn kleiner als der Basisertrag, wird nur der Gewinn versteuert – und fällt dein Gewinn ins Minus, ist die Vorabpauschale automatisch 0.
Anders ausgedrückt: In Verlustjahren sparst du dir die Vorauszahlung; der Fiskus „zahlt nicht drauf“.
Was aber, wenn du trotz Verlustrunden bereits Vorabsteuer gezahlt hast? Genau hier greifen die Verlustverrechnungstöpfe: Die gezahlten Steuern wandern in den Verlusttopf für Fonds. Verkaufst du den Fonds mit Verlust (sei es im selben Jahr oder später), kannst du diese Beträge nutzen. Legst du beispielsweise deine ETF-Anteile mit Verlust zurück, bekommst du die geleistete Vorabpauschale (ganz oder anteilig) zurück. Das funktioniert ganz automatisch über den Broker. Wenn du also im gleichen Jahr, in dem du die Pauschale gezahlt hast, mit Verlust aussteigst, gutschreibt er dir die Steuern wieder. Wartest du mehrere Jahre mit dem Verkauf, fließt nicht sofort alles zurück – aber der Verlust (inkl. der bereits gezahlten Steuern) bleibt in deinem steuerlichen Topf erhalten. Gewinne aus anderen Fonds kannst du dann teilweise mit diesem Verlust verrechnen.
Ein häufiger Irrtum ist übrigens, dass Verluste aus Aktien mit ETF-Verlusten verrechnet werden könnten. Das ist nicht möglich. Aktienverlusttopf und Fondsverlusttopf sind getrennt. Aber innerhalb der Fonds-/ETF-Welt funktioniert die Verrechnung reibungslos.
Wie wirkt sich die Vorabpauschale auf deine Rendite aus?
Finanziell ändert sich durch die Vorabpauschale an sich nicht viel – abgesehen davon, dass du die Steuer eben früher bezahlst. Du zahlst nicht mehr Steuern als früher, bloß zeitlich etwas vorgezogen. Wenn du deinen ETF niemals verkaufen würdest, hättest du im Endeffekt ungefähr den gleichen Nettogewinn wie ohne Vorabpauschale (abzüglich des Zeitwertverlusts durch frühere Zahlung).
Bei realistischer Betrachtung mindert die Vorabpauschale aber dein laufendes Vermögen leicht. Praktisch kann man es so sehen, als hätte dein ETF jedes Jahr eine Mini-Ausschüttung geleistet, von der direkt Steuern abgezogen werden – nur sieht man das Geld nicht. Dieses „Minimalsteuern“ reduziert den Zinseszins-Effekt deines Fonds ein bisschen. Typisch ist es, dass man etwa 0,3–0,5 % pro Jahr Renditeeinbuße hat (je nach Basiszins; in normalen Jahren rund 0,4–0,5 % eines Aktien-ETFs). So oder so sind es keine riesigen Zahlen – zumal diese Pauschale nur auf den kleineren Betrag (Basisertrag oder tatsächlicher Gewinn) erhoben wird.
Ein Rechenbeispiel: Liegt bei Aktien-ETFs wie oben der Basiszins bei 2,29 %, so sind das 1,603 % Basisertrag. Nach dem 30 % Freistellungsfaktor bleiben 1,122 % zu versteuern (das Beispiel mit 10.000 € zeigt 160,30 € Basisertrag ⇒ 112,21 € steuerpflichtig). Auf diese 1,122 % wendet man 26,375 % an, also rund 0,296 % des Fondsvermögens an Steuer. Würde dein ETF im selben Jahr 6 % wachsen, zahlt er effektiv nur 0,296 % ab, das entspricht einem kleinen Teil deiner Rendite. Über Jahrzehnte gesehen summiert sich das zwar (einige Prozentpunkte weniger Endkapital), doch wesentlich gravierender ist die Tatsache, dass du das Geld früher abstottern musst.
Viele Anleger fragen sich auch: Wird beim Verkauf dann nicht doch wieder auf die vorher Besteuerten nochmal Steuern fällig? Nein – die Abgeltungssteuer, die du auf die Vorabpauschale gezahlt hast, wird voll auf den Gewinn beim Verkauf angerechnet. Praktisch heißt das: Verkauft du deinen ETF mal, wird im Jahresgewinn-Berechnungskonto erst deine bereits geleistete Vorabsteuer abgezogen. Dabei geht der Gewinn, der bereits versteuert wurde, einfach mit in den Verlusttopf über. Du zahlst also nur auf den verbleibenden Gewinn Steuern, nicht noch einmal auf das Vorabpauschal-Budget.
Sonderfälle und Irrtümer bei der Vorabpauschale
Im Alltag tummeln sich ein paar Missverständnisse um die Vorabpauschale. Hier ein paar klärende Punkte:
- Doppelt zahlen? Nein. Wenn du eine Vorabpauschale entrichtest, zahlst du sie nur einmal. Sie ist eine Vorauszahlung, wird aber bei Veräußerung deines ETFs angerechnet. Du belastest keine Zeiteinheit doppelt.
- Freibetrag und Freistellungsauftrag: Wie erwähnt belastet die Bank dein Freistellungsvolumen für das Folgejahr. Wenn du also in 2024 noch etwas pauschal frei hast, musst du das nicht „reserven“ – die Pauschale für 2024 in Jan 2025 frisst deinen Freibetrag 2025. Plane also deinen Freistellungsauftrag schlau, z.B. verteile ihn auf Monate oder Depotkonten, damit die Vorabsteuer perfekt abgedeckt ist.
- Vorabpauschale auf ausländische ETFs? Die Regel gilt unabhängig vom Sitz des Fonds. Auch ein ausländischer ETF, der thesauriert, unterliegt der Vorabpauschale. Dein Depotbank zieht die Steuer ab, wenn der Fonds unter die Regel fällt.
- Kinder- und Gemeinschaftsdepots: Bei Gemeinschaftsdepots gilt das Gleiche: Ihr zahlt zusammen, was euch zusteht. Allerdings habt ihr einen doppelt so hohen Pauschbetrag (2×1.000 €). Für Kinderdepots (unter elterlichem Konto) kann es komplizierter werden – hier solltest du im Zweifelsfall das Finanzamt fragen.
- Basiszinssatz negativ: Wenn der Basiszins negativ ist (wie 2020 und 2021), bleibt die Vorabpauschale auf 0%. Genau das ist bis Ende 2022 passiert. Das heißt, in Niedrigzinszeiten kann sie komplett ausfallen – und das Finanzministerium erklärte klipp und klar, dass dann gar nichts fällig wird. Du zahlst also nur, wenn es einen positiven Basiszins gibt.
- Alt-Anteile (vor 2009): Wenn du sehr alte Fondsanteile besitzt (aus dem “Alt-Ausschüttungstopf” von vor 2009), gelten eigene Regeln. Für dich bleiben die ersten 100.000 € Kursgewinne steuerfrei. Diese Alt-Regelung betrifft aber eher Leute mit sehr großen Portfolios und soll an dieser Stelle nur am Rande erwähnt sein.
- Vorabpauschale nur auf ETFs? Nein, auf alle inländischen bzw. unter gleichen Regeln laufenden Investmentfonds, nicht nur ETFs. Aber in der Praxis kommen ETFs oft zuerst in den Sinn, weil Privatanleger häufig über sie investieren. Der Mechanismus ist für alle thesaurierenden Fonds identisch.
- Hoher persönlicher Steuersatz: Liegt dein individueller Steuersatz unter 25 % (z.B. wegen Günstigerprüfung), kann es lohnen, Kapitaleinkünfte (inkl. Vorabpauschale) in der Steuererklärung anzugeben. Dann bekommst du dir zu viel gezahlte Steuer zurück. Aber das ist ein Spezialfall.
Tipps im Umgang mit der Vorabpauschale
Die Vorabpauschale kommt jedes Jahr. Wer sie ignoriert, zahlt drauf – im schlimmsten Fall mit unnötigem Stress oder Verkaufszwang.
Damit das nicht passiert, hier ein paar klare Schritte, wie du dich vorbereitest und entspannt durch den Januar kommst.
- Freistellungsauftrag nutzen: Trag schon früh deinen Pauschbetrag bei der Bank ein. Richte den maximal möglichen Freistellungsauftrag* (derzeit 1.000 € pro Person) aus, damit die Vorabpauschale sofort abgedeckt ist. Bedenke, sie zählt für das Folgejahr. Wenn du sie ganz nutzt, bleibt genug Raum für andere Gewinne.
- Kontodeckung sicherstellen: Wirf einen Blick auf dein Verrechnungskonto im Dezember. Stell sicher, dass mindestens ein paar hundert Euro bereitliegen, falls die Bank Anteile verkaufen müsste. Falls nicht, plant einfach etwas Kleingeld ein – so brauchst du dich in Januar nicht zu wundern.
- Verlusttöpfe aktiv nutzen: Wenn du Verluste erlitten hast, versuche, sie zu realisieren. Jeder ETF-Verlust wird in einem separaten Verlusttopf gespeichert. Sobald du wieder Gewinne erzielst (oder Vorabpauschalen zahlst), kannst du diese Verluste verrechnen und so später Steuer sparen. Beispielsweise kann ein bewusster Verkauf bei Minus in schlechten Jahren dich später steuerlich entlasten.
- Auf thesaurierende vs. ausschüttende ETFs achten: Für Kleineinsteiger kann es strategisch sein, auch ausschüttende ETFs ins Auge zu fassen. Warum? Weil du dann Dividendenausschüttungen bekommst, die direkt aufs Konto fließen. Diese kannst du jährlich reinvestieren und musst die Dividende sowieso versteuern. Das hilft dir, deinen Freibetrag besser auszunutzen (z.B. stell dir vor: 3 % Dividende wären 300 € pro Jahr – genau dein Freibetrag). Der Nachteil: Du hast etwas Mehraufwand (Zahlung erneut anlegen) und die Vorabpauschale verschwindet dadurch natürlich nicht ganz. Aber bei kleinem Depot lohnt sich das manchmal.
- Ausländische ETFs wählen: Nicht, um die Vorabpauschale zu vermeiden – die gilt nämlich auch für ausländische ETFs mit thesaurierender Ausschüttungsweise. Aber mit ausländischen ETFs bindest du deine Dividenden oft früher in den Fondswert (replizierend), statt automatisch umzuschichten. Achtung: Die Regel gilt egal wo, Hauptsache Investmentfonds.
- Steuerwissen erweitern: Wenn du unsicher bist, lies die Steuerunterlagen deiner Bank genau oder zieh dir eine Beratungsquelle. Webseiten wie Finanztip oder Steuertipps erklären viele Details (siehe Quellen). Im Zweifelsfall kann auch ein Steuerberater helfen – vor allem, wenn dein Steuersatz sehr niedrig ist oder du komplexe Depots hast.
- Langfristig denken: Bedenke: Die Vorabpauschale ist vor allem ein lästiges Detail der Steuererklärung, aber kein Grund, thesaurierende ETFs zu meiden. Sie ermöglicht schließlich den Zinseszinseffekt. Lasse dich also nicht abschrecken und investiere weiter nach deinem Plan. Rechne vor, ob die Vorabsteuer in deine Renditeerwartungen passt, und bleibe gelassen.
Hinweis: Bei Aktienfonds wird aus Vereinfachungsgründen 30 % des Gewinns steuerfrei gestellt (Teilfreistellung). Deshalb rechnen wir oft nur mit 70 % des fiktiven Ertrags. Das steht im Gesetz und sorgt dafür, dass beispielsweise nur rund 18 % eines Aktienfonds-Basisertrags de facto versteuert werden (25 % von 70 %). Diese Teilfreistellung gilt bei der Vorabpauschale automatisch, du musst nichts extra beantragen.
Quellen
- Steuertipps.de – Geldanlage: Was ist die Vorabpauschale? (inkl. Erläuterung, Einführung 2018, Berechnungen)
- Wikipedia: Vorabpauschale (Definition, Zweck, Beispielrechnung)
- JustETF.com – ETF-Steuern: Vorabpauschale bei thesaurierenden ETFs (Ablauf und Merkmale)
- Finanztip.de – „Vorabsteuer auf ETFs: Führt das zu doppelten Steuern?“ (Antworten auf praktische Fragen, Verlusttopf, FSA)e
- Finanztip.de – Vorabpauschale Rechner (Fälligkeit, Basiszins, Freistellungsauftrag)
- finanzen.net – „Vorabpauschale erklärt: Die besondere Steuer bei ETFs“ (Kernaussagen, Berechnung, Ausnahmen)
- comdirect Magazin – Thesaurierende Fonds: Gewinne reinvestieren (Vorabpauschale: Einführung, Formel, Beispielrechnungen)
- Käpsele.de – Vorabpauschale: Was du wissen musst (Fiktiver Gewinn, Zweck, Verlusttopf)
- Envestor.de – Vorabpauschale 2025: Worum es für Anleger geht (Basisertrag-Formel, Praxisbeschreibung)
- Gesetzestexte – InvStG §18 (Investmentsteuergesetz), §20 (Teilfreistellung). (Nicht im Fließtext verlinkt, aber rechtliche Basis)