Mit 70 ist die große Sparphase meistens vorbei – jetzt geht’s darum, wie lange das, was da ist, noch reicht.
Die Frage, wie viel man in diesem Alter eigentlich auf der hohen Kante haben sollte, kommt früher oder später bei den meisten. Manche haben viel, andere fast nichts – und dazwischen liegt die Realität. Was realistisch ist, was empfohlen wird und was die meisten tatsächlich haben, passt oft nicht zusammen. Zeit für einen ehrlichen Blick.
Was ist die 10-Prozent-Regel beim Vermögen?
Die sogenannte 10-Prozent-Regel – manchmal auch als 10x-Regel bezeichnet – meint: Bis zum Rentenbeginn solltest du das Zehnfache deines letzten Bruttojahreseinkommens angespart haben, um im Alter finanziell entspannt leben zu können. Wer also kurz vor der Rente 50.000 Euro im Jahr verdient hat, braucht laut dieser Regel 500.000 Euro Vermögen, um den Lebensstandard einigermaßen halten zu können.
Das Ganze basiert auf der Idee, dass man ab dem 25. Lebensjahr rund 15 Prozent vom Einkommen spart, davon ein Großteil in Aktien oder Fonds – mit dem Ziel, über die Jahre genug aufzubauen, um im Ruhestand jährlich 4 Prozent des Vermögens zu entnehmen, ohne dass das Geld vorzeitig aufgebraucht ist.
Die Faustformel sieht so aus:
Für ein Ziel von 2.000 Euro Entnahme im Monat brauchst du laut dieser Regel etwa 600.000 Euro – das ergibt sich aus dem 4-Prozent-Entnahmeplan, der davon ausgeht, dass dein Geld rund 30 Jahre reichen soll.
So weit die Theorie.
In der Praxis sieht’s anders aus. Das durchschnittliche Nettovermögen der 70- bis 74-Jährigen in Deutschland liegt bei 129.600 Euro – und das ist inklusive Immobilien, Betriebsrenten und sonstigem Besitz. Reine Geldvermögen? Im Median nur 27.600 Euro. Die meisten Deutschen sind also weit weg von den empfohlenen 500.000 Euro – vor allem bei normalen Einkommen und ohne frühe, konsequente Sparpläne.
Dazu kommt: Steuern auf Kapitalerträge, Rentenbesteuerung, Inflation – all das frisst langfristig mit. Und wer mal ein paar Jahre nicht sparen konnte, z. B. wegen Krankheit, Kindererziehung oder Jobverlust, hat schnell das Nachsehen.
Trotzdem bleibt die Regel hilfreich – nicht als Muss, sondern als grobe Orientierung, um zu sehen, ob man auf dem richtigen Weg ist. Wer die 10x-Marke nicht erreicht, muss nicht nervös werden. Aber dann braucht’s andere Bausteine im Gesamtbild: gesetzliche Rente, Betriebsrente, vielleicht eine abbezahlte Immobilie oder staatlich geförderte Produkte wie Riester oder Rürup.
Wie viel Geld sollte man mit 70 Jahren gespart haben?
Mit 70 geht es nicht mehr ums Sparen – sondern darum, wie lange das, was da ist, noch reicht. Und genau da wird’s konkret. Viele wollen wissen, was in diesem Alter „normal“ ist – und was ideal wäre, um den Ruhestand entspannt zu finanzieren. Die Realität in Deutschland sieht dabei deutlich anders aus als das, was internationale Modelle empfehlen.
Laut Studien liegt das durchschnittliche Nettovermögen der 70- bis 74-Jährigen in Deutschland bei 129.600 Euro. Klingt erst mal okay – aber das umfasst alles: Immobilien, Betriebsrenten, Fonds, Sparkonten. Der Median beim Geldvermögen, also das, was tatsächlich an flüssigen Mitteln zur Verfügung steht, liegt nur bei 27.600 Euro. Und das ist der Wert, der den Alltag finanziert – nicht das Haus, in dem man wohnt.
Internationale Faustformeln empfehlen ganz andere Summen. Die sogenannte 10x-Regel sagt: Wer 50.000 Euro brutto verdient hat, sollte mit 70 rund 500.000 Euro angespart haben. Die Idee dahinter: 15 Prozent vom Einkommen ab 25 zurücklegen, ordentlich Rendite machen – dann passt das. Klingt gut, ist in Deutschland aber schwer erreichbar, weil das Rentensystem hier anders funktioniert.
Realistischer ist der 4-Prozent-Entnahmeplan. Wer 2.000 Euro monatlich entnehmen will, braucht ein Startvermögen von 600.000 Euro. Bei 3.000 Euro Ausgaben im Monat landen wir mit der 25x-Regel bei 900.000 Euro. Davon ist die Mehrheit der Rentner meilenweit entfernt.
Und trotzdem – oder gerade deshalb – lohnt sich der Blick auf die echte Verteilung:
Dass viele mit diesen Summen nichts zu tun haben, liegt auch an Lebensrealität, Berufslaufbahn und Sparspielraum. In Westdeutschland ist das Vermögen mit 142.300 Euro deutlich höher als im Osten (89.400 Euro). Und wer studiert hat oder gut verdient, kommt auf andere Summen als jemand mit Niedriglohn und Pflegezeiten. Trotzdem: Auch mit weniger kann man klarkommen – wenn man weiß, wie lange das Geld reichen muss.
Ein 70-jähriger Mann lebt statistisch noch 15,7 Jahre, eine Frau 18,2 Jahre. Wer gesund ist, plant besser mit 25 bis 30 Jahren Entnahmezeitraum – und da reicht ein Polster von 100.000 Euro eben nicht weit. Auch die Inflation macht was aus. Wenn die Preise nur um 2 Prozent pro Jahr steigen, muss man in 20 Jahren schon fast 50 Prozent mehr ausgeben, um denselben Lebensstandard zu halten.
Wer also fragt, wie viel man mit 70 haben sollte, fragt in Wahrheit: Wie lange will ich unabhängig bleiben – und wie viel bin ich bereit, vorher dafür zu tun? Für manche reichen 100.000 Euro, andere brauchen 600.000. Die richtige Antwort ist immer persönlich – aber der Richtwert liegt irgendwo zwischen beidem.
Wie sollte mein Portfolio mit 70 Jahren aussehen?
Mit 70 geht es bei der Geldanlage nicht mehr um maximale Rendite, sondern um Stabilität, Auszahlungsfähigkeit und Kaufkrafterhalt. Das Vermögen soll nicht nur sicher sein, sondern möglichst noch die nächsten 20 bis 30 Jahre tragen. Gleichzeitig darf das Geld nicht einfach auf dem Tagesgeldkonto liegen und langsam durch Inflation an Wert verlieren. Die Mischung macht’s – und zwar so, dass sie zur Lebensrealität passt.
Finanzexperten empfehlen bei einem Ruhestandsportfolio ab 70 Jahren einen klaren Fokus auf Kapitalerhalt, aber nicht komplett ohne Aktienanteil. Ein Aktienanteil von rund 25 bis 30 Prozent gilt als sinnvoll, um langfristig die Kaufkraft zu erhalten. Der Rest sollte gestreut sein – in kurzlaufende Anleihen, inflationsgeschützte Produkte und eine ausreichende Liquiditätsreserve.
Hier ein möglicher Portfolio-Vorschlag:
Ein Rechenbeispiel: Bei einem Portfolio von 500.000 Euro, aufgeteilt nach diesem Muster, lassen sich bei einer moderaten Entnahmerate von 4 bis 4,5 Prozent im Jahr monatlich rund 2.000 Euro auszahlen. Ein Großteil davon kann über Zinsen und Dividenden gedeckt werden, ohne dass jedes Jahr Aktien verkauft werden müssen.
Wichtig ist auch, das Portfolio an die Lebensphasen im Ruhestand anzupassen. In den ersten Jahren nach Rentenbeginn sollte der Aktienanteil eher niedriger liegen – etwa bei 25 Prozent. Danach kann man ihn langsam wieder leicht erhöhen, um gegen Inflation abzusichern. Diese sogenannte „Rising Equity Glide Path“-Strategie reduziert das Risiko in den besonders sensiblen ersten Rentenjahren und ermöglicht später wieder mehr Wachstumschancen.
Wer steuerlich optimieren will, achtet auf Teilfreistellungen bei Fonds (z. B. 30 Prozent bei Aktienfonds) und nutzt den jährlichen Grundfreibetrag (2025: 11.844 Euro) für Kapitalerträge gezielt aus. Auch eine Aufteilung in steuerpflichtige und steuerbegünstigte Depotteile kann sich lohnen.
Am Ende gilt: Mit 70 solltest du wissen, was du brauchst, was du ausgeben willst und wie viel Unsicherheit du aushalten kannst. Ein gutes Portfolio liefert dir genau das – Sicherheit, Flexibilität und genug Puffer, damit du nicht bei jedem Börsenschwung nervös wirst. Wer das sauber plant, muss sich auch mit 80 nicht fragen, ob das Geld reicht.